Umsatzsteuer-News: Was ändert sich 2017?

Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
Umsatzsteuer-News: Was ändert sich 2017?

Was ändert sich für E-Commerce-Händler im neuen Jahr? In diesem Blogpost bringen wir euch auf den neuesten Stand.

Amazon FBA und Polen

Ein Großteil des FBA-Programms von Amazon läuft über die Warenlager in Polen. Wenn ihr FBA nutzt, werdet ihr euch daher früher oder später auch in Polen steuerlich registrieren müssen.
Die folgenden Neuerungen ab dem 01.01.2017 dürften dabei besonders interessant sein:

  • Bei der Erklärung von zu wenig Umsatzsteuer (bzw. der unterlassenen Erklärung) werden Strafzuschläge von 20% bis zu 100% fällig.
  • Sofern innerhalb von 6 Monaten nach der Registrierung keine steuerbaren Umsätze in Polen erklärt werden (z.B. Verkäufe oder Verbringungen nach Polen), werdet ihr künftig deregistriert. Das ist z.B. für Händler wichtig, die ihren Amazon-Account ruhen lassen und/oder nach der Registrierung keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen einreichen.
  • Dienstleister, die euch in Polen steuerlich registrieren, können bis zu 6 Monate nach der Registrierung bei Gesetzesverstößen gemeinsam mit euch in die Haftung genommen werden.

Finanzverwaltungen nehmen Marktplätze in Haftung

Händler, die ihren Umsatzsteuerpflichten nicht nachkommen, verschaffen sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Dieses zunehmende Problem hat es nun auf die politische Agenda geschafft.

Großbritannien hat als erster EU-Staat erst kürzlich eine gesetzliche Haftung von Amazon, eBay und Co. für die hinterzogene Umsatzsteuer dieser Händler eingeführt.

Diese Maßnahme scheint zu greifen—es wird sich zeigen, inwieweit auch andere EU-Staaten in den nächsten Monaten tätig werden.

Automatisierte Prüfung durch Finanzämter

Die Finanzämter werden mittelfristig dazu übergehen, eure Steuererklärungen automatisiert zu bearbeiten. Die folgenden Neuerungen sind erste Schritte auf dem Weg dorthin.

Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung

Die Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung 2017 (und alle folgenden Jahre) wurde auf den 31. Juli des Folgejahres verlängert.

Eine Überschreitung dieser neuen Frist führt zu einem Verspätungszuschlag von 0,25 Prozent des nachzuzahlenden Betrags je angefangenen Monat—mindestens jedoch 25 Euro je Monat.

Vorabanforderungen von Erklärungen

Die Finanzämter dürfen in bestimmten Fällen Erklärungen vor der genannten Frist bei euch anfordern—und zwar immer dann, wenn:

  • eine steuerliche Außenprüfung ansteht,
  • ihr euer Gewerbe in dem abgelaufenen Jahr begonnen oder eingestellt habt, oder
  • ein Zufallsgenerator eure Erklärung ausgewählt hat (!)

Insbesondere der letzte Punkt könnte zunehmend Bedeutung gewinnen, wenn die Finanzämter dazu übergehen, eure Erklärungen automatisiert auszuwerten und nur noch zufallsgenerierte Stichproben manuell und intensiv zu prüfen.

Verspätete Zusammenfassende Meldungen?

Für die sogenannten Zusammenfassenden Meldungen, welche u.a. Händler abgeben müssen, die ausländische Warenlager von Amazon nutzen, gibt es weiterhin keine Verspätungszuschläge. Aber Vorsicht: Die Finanzbehörden können sogenannte Zwangsgelder festsetzen.

Steuerfreie Lieferungen: Jetzt (etwas) sicherer

Liefert ihr innerhalb der EU an einen anderen Unternehmer (innergemeinschaftliche Lieferungen) oder in das Drittland (z.B. in die Schweiz) an Privatpersonen oder Unternehmer (Ausfuhrlieferungen), ist eure Lieferung grundsätzlich steuerfrei.

Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Steuerfreiheit bislang an hohe formale Anforderungen geknüpft. So müsst ihr anhand von Versandbelegen (z.B. Spediteursbescheinigungen oder Tracking-and-Tracing-Protokoll) nachweisen können, dass eure Lieferungen tatsächlich in das Ausland gelangt sind.

Im Fall von innergemeinschaftlichen Lieferungen musste bislang zwingend die Unternehmereigenschaft eures Käufers anhand der Prüfung seiner UStId-Nr. dokumentiert werden.

Diese hohen formalen Anforderungen, welche im Rahmen von Prüfungen der Finanzämter sehr häufig zu Nachzahlungen der Umsatzsteuer auf die genannten Lieferungen führten, wurden durch mehrere Urteile abgeschwächt.

Das höchste europäische Finanzgericht, der EuGH, hat kürzlich in mehreren Urteilen recht unternehmerfreundliche Entscheidungen gefällt. Im Zweifel könnt ihr demnach die geforderten Nachweise auch anderweitig erbringen.

Wie das im Einzelfall genau aussehen kann, hängt von vielen weiteren Umständen ab. Der Verhandlungsspielraum in Betriebsprüfungen sollte aber auf jeden Fall größer geworden sein.

Vorsteuerabzug

Sobald ihr nicht unter die Kleinunternehmerregelung fallt oder keine steuerfreien Umsätze ausführt, könnt ihr euch grundsätzlich die deutsche Umsatzsteuer (=Vorsteuer) auf eure Eingangsleistungen (z.B. Wareneinkäufe oder Beratungsleistungen) durch das Finanzamt erstatten lassen.

Das gilt jedoch nur, wenn ihr u.a. eine ordnungsgemäße Rechnung vorweisen könnt, welche alle erforderlichen Pflichtangaben enthält.

Oft fehlen einige dieser Angaben. Im Fokus von Prüfungen durch das Finanzamt stehen daher auch fast immer eure Eingangsrechnungen. Stellt der Prüfer Verstöße fest, streicht er euch die Erstattung der Vorsteuer. Das bedeutet, dass ihr den ursprünglich erstatteten Betrag an das Finanzamt zurückzahlen müsst. Hinzu kommt eine Verzinsung dieses Betrages in Höhe von 6 Prozent pro Kalenderjahr.

Diese Zinszahlungen fielen bislang immer an—auch, wenn ihr euch nachträglich ordnungsgemäße Rechnungen von eurem Lieferanten beschaffen konntet.

Die folgenden aktuellen Gesetzesänderungen und Urteile mildern dieses Problem deutlich.

Was passiert, wenn ich eine fehlerhafte Rechnung bekommen habe?

Das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), hat entschieden, dass die Korrektur fehlerhafter Rechnungen auch zurückwirkt.

Was heißt das?

Wird im Rahmen einer Prüfung durch das Finanzamt festgestellt, dass Rechnungen fehlerhaft bzw. unvollständig waren, könnt ihr mit dem Verweis auf dieses Urteil verhindern, dass ihr die Vorsteuer zurückzahlen müsst und das Finanzamt Zinsen von euch für den zurückliegenden Zeitraum verlangt.

Damit dies gilt, müssen eure Rechnungen allerdings ein paar Mindestanforderungen erfüllen. Im Urteil wird klargestellt, dass die ursprüngliche (falsche) Rechnung zumindest die folgenden Angaben enthalten muss:

  • Rechnungsaussteller
  • Leistungsempfänger
  • Leistungsbeschreibung
  • Nettoentgelt
  • Umsatzsteuer

Besonderheiten bei Kleinbeträgen

Bislang galt, dass aus Rechnungen, deren Gesamtbetrag 150 Euro (brutto) nicht übersteigt, auch dann die Vorsteuer durch das Finanzamt erstattet wird, wenn diese lediglich die folgenden Angaben enthalten (Kleinbetragsrechnung):

  • Name und Anschrift des Rechnungsausstellers
  • Ausstellungsdatum
  • Menge und Art der gelieferten Gegenstände (bzw. Umfang und Art der Dienstleistung)
  • Gesamtbetrag (brutto)

Diese Grenze wurde zum 01.01.2017 auf 200 Euro (brutto) erhöht.

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