One Stop Shop, Marktplatzhaftung & Umsatzsteuer-Identifikations­nummern: Müssen ausländische USt-IDs beibehalten werden?

Im Zuge der Einführung des OSS-Verfahrens gibt es aktuell einige offene Fragen unter Händlern und Steuerberatern zum Umgang mit ausländischen USt-IDs und möglichen Deregistrierungen im EU Ausland – insbesondere wenn diese weiterhin durch Marktplätze aufgrund der Marktplatzhaftung gefordert werden.
Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 5 min. Lesezeit
One Stop Shop, Marktplatzhaftung & Umsatzsteuer-Identifikations­nummern: Müssen ausländische USt-IDs beibehalten werden?

Wir hatten berichtet, dass Amazon mit der USt-ID Prüfung aufgrund der Verschärfung der Marktplatzhaftung viel Verwirrung unter Sellern ausgelöst hat. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie Händler mit ihren ausländischen USt-IDs umgehen sollten.

Fangen wir aber vorne an.

Warum (bislang) USt-IDs im Ausland?

Viele Onlinehändler mit Lieferungen ins EU-Ausland benötigten in der Vergangenheit oft USt-IDs in EU-Ländern außerhalb ihres Firmensitzes. Der Grund war, dass sie mit ihren B2C-Lieferungen in das jeweilige Land die alten Lieferschwellen überschritten hatten und damit jeweils lokal steuerpflichtig wurden.

Nach Einführung des One-Stop-Shop entfällt für grenzüberschreitende Verkäufe an Privatpersonen (=”Fernverkäufe”) innerhalb der EU die Notwendigkeit für ausländische (EU) USt-IDs, sofern das OSS-Verfahren genutzt wird.

Einige Händler haben nun unmittelbar nach Einführung des OSS-Verfahrens begonnen, in den Ländern, in denen sie nur Fernverkäufe tätigen, Deregistrierungen anzustoßen. Oder sie haben das dortige Finanzamt über die Nutzung des One-Stop-Shop-Verfahrens informiert. In beiden Fällen wird damit die bisherige USt-ID automatisch ungültig.

Wie ist diese Situation einzuordnen, wenn Händler über Marktplätze wie Amazon international verkaufen und von Amazon nun eine entsprechende ausländische USt-IDs gefordert wird?

USt-ID gefordert & Nutzung One-Stop-Shop: Wie passt das zusammen?

Schauen wir uns das einmal anhand eines Beispiels an.

Nehmen wir an, Ihr tätigt in Österreich nur Fernverkäufe aus Deutschland heraus. Bisher wart Ihr in Österreich umsatzsteuerlich registriert aufgrund Überschreiten der lokalen Lieferschwelle. Da Ihr seit dem 01.07.2021 das One-Stop-Shop-Verfahren zur europaweiten Deklaration Eurer Fernverkäufe nutzt, habt Ihr dies dem österreichischen Finanzamt mitgeteilt.

Daraufhin hat das österreichische Finanzamt Eure österreichische USt-ID “begrenzt”. Dies bedeutet, dass Ihr nun keine monatlichen Umsatzsteuermeldungen in Österreich mehr abgeben müsst.

Wie in unserem Übersichts-Beitrag zur Marktplatzhaftung beschrieben, gibt es aber auch in Österreich die Marktplatzhaftung, analog zur Regelung in Deutschland. Daher haben viele in Deutschland ansässige Händler mit Versandtätigkeit nach Österreich im Amazon Seller-Central nun den folgenden Hinweis gefunden:

Ausschnitt aus dem Schreiben von Amazon an international tätige Seller mit der Aufforderung zum “review” ihrer ausländischen USt-IDs (VAT registration numbers)
Ausschnitt aus dem Schreiben von Amazon an international tätige Seller mit der Aufforderung zum “review” ihrer ausländischen USt-IDs (VAT registration numbers)

Dieser Hinweis führt zu den folgenden Fragen und unseren Antworten

  1. Brauche ich in Österreich weiterhin eine lokale USt-ID aufgrund der Regelung zur Marktplatzhaftung?
    Nein, braucht Ihr nicht. Wenn Ihr nach Österreich ausschließlich Fernverkäufe tätigt, besteht keine Verpflichtung zur umsatzsteuerlichen Registrierung in Österreich, wenn Ihr Eure Fernverkäufe über den One-Stop-Shop erklärt.Dies ist auch in Deutschland so, wenn ein ausländischer Unternehmer in Deutschland nur Fernverkäufe tätigt und den One-Stop-Shop nutzt. Dies stellt auch das BMF-Schreiben vom 20.04.2021 klar.
  2. Kann Amazon nun Euren Account für den Verkauf nach Österreich sperren, wenn für Österreich keine gültige US.-ID vorliegt?
    Unseres Erachtens sollte die Information, dass Ihr am OSS-Verfahren teilnehmt, sicherstellen, dass Ihr auch weiterhin in alle EU-Staaten versenden dürft – selbst, wenn USt-IDs für ungültig erklärt werden. Das ist das Statement, welches uns von Amazon bekannt ist.

Es ist zu erwarten, dass auch in den kommenden Wochen noch viele Praxisprobleme im Zusammenhang mit der USt-ID Prüfung aufgrund der verschärften Marktplatzhaftung auftreten werden.

Wie sollten Onlinehändler und speziell Amazon Seller jetzt mit ihren EU USt-IDs verfahren?

Um Account-Sperrungen auf Amazon zu vermeiden, solltet Ihr davon absehen, unüberlegt Änderungen in Eurem Seller-Account vorzunehmen. Mehrfache Änderungen in kurzen Zeitabständen können im aktuellen Umfeld der automatisierten Prüfung von USt-IDs eher kontraproduktiv sein.

Ihr solltet allerdings folgende Punkte sicherstellen:

  • Wenn Ihr in einigen Ländern schon Deregstrierungen angestoßen habt UND in diesen Ländern auch eine Marktplatzhaftung besteht (z.B. AT, FR, IT), dann prüft nochmals, ob Ihr im Seller-Central hinterlegt habt, dass Ihr am OSS-Verfahren teilnehmt.
  • Wenn Ihr ausländische Amazon-Lager nutzt, müssen Eure umsatzsteuerlichen Registrierungen ohnehin bestehen bleiben. In diesen Fällen sollten diese natürlich auch in Eurem Seller Account hinterlegt sein.

Fazit: Nach aktuellen Informationsstand scheint es für Euch als Amazon Seller keine Einschränkungen zu geben, wenn Ihr Euch in einem Empfangsstaat aufgrund der Nutzung des One-Stop-Shop deregistriert, solange Ihr die OSS-Teilnahme auch im Seller-Central an entsprechender Stelle hinterlegt. Ihr könnt den Warnhinweis im Seller-Central in diesen Fällen ignorieren.

Für Onlinehändler, die nicht über Marktplätze wie Amazon, sondern nur über ihren eigenen Webshop verkaufen, ist die oben stehende Thematik nicht relevant.

Soweit unsere aktuelle Einschätzung. Sollte es wesentliche neue Entwicklungen zum Umgang mit ausländischen USt-IDs im Zuge des OSS-Verfahrens geben, werden wir Euch in unserem Blog auf dem Laufenden halten.

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