Amazon als Steuerberater?!

Dr. Roger Gothmann
Dr. Roger Gothmann
  • 8 min. Lesezeit
Amazon als Steuerberater?!

Bildquelle: Tag des Onlinehandels 2017, BVOH

Seit Kurzem wird in der deutschen Steuerberatungsbranche kontrovers diskutiert, ob Amazon in den Markt für Steuerberatung eintreten will—oder dies womöglich schon getan hat.

Man könnte sogar noch weiter gehen und fragen, ob Amazon ebenfalls in den Markt der automatisierten Rechnungstools einsteigt?

Die Antwort können wir bereits vorwegnehmen: Nein.

Aber der Weg ist eingeschlagen. In der Steuerberatung wird man um die Themen Automatisierung und Digitalisierung nicht mehr umherkommen.

Fangen wir aber von vorne an. Was ist der Hintergrund für die aktuelle Diskussion?

Vorgeschichte

Versandhändler, die ihre Produkte über Amazon Marketplace verkaufen, können aufgrund der Überschreitung von Lieferschwellen und/oder der Verwendung von Amazon-Lagern im EU-Ausland steuerpflichtig werden. Dies führt zu der Verpflichtung, Umsatzsteuererklärungen im jeweiligen Staat abzugeben.

Diesen Service bietet Amazon ab sofort an. Wie kam es dazu? Hier sind zwei Gründe:

  1. Durch das erfolgreiche Programm Fulfillment by Amazon (FBA)
    wurden und werden Onlinehändler oftmals im EU-Ausland steuerpflichtig—häufig, ohne es zu wissen.
  2. Erst kürzlich hat Amazon eine neue B2B-Plattform gelauncht: Amazon Business.

Will Amazon mit diesen beiden Geschäftsfeldern nachhaltig Geld verdienen, muss innerhalb der hoch regulierten EU sichergestellt sein, dass die Nutzer dieser Handelsplattformen, die Onlinehändler, ihre steuerlichen Pflichten erfüllen (können).

Warum?

Wir schauen uns beide Herausforderungen im Folgenden näher an.

Fulfillment by Amazon

Bereits seit einigen Jahren bietet Amazon den Marketplace-Händlern finanzielle Anreize, wenn diese es zulassen, dass Amazon ihre Waren aus den überlasteten und hoch regulierten deutschen Warenlagern in die neuen Fulfillment Center in Polen und Tschechien auslagern darf.

Viele Händler stimmten dem unmittelbar zu, ohne sich der steuerrechtlichen Konsequenzen und den damit einhergehenden finanziellen Risiken bewusst zu sein.

Es fehlt an steuerlicher Expertise

Amazon stellt Onlinehändlern mittlerweile eine grenzüberschreitende Logistik-Infrastruktur zur Verfügung, über die vor einigen Jahren nur große Handelskonzerne verfügten.

Den meisten Händlern ist allerdings nicht bewusst, dass sie grds. über die Ressourcen einer Konzern-Steuerabteilung verfügen sollten, um die grenzüberschreitende Steuer-Compliance erfüllen zu können. Die Haftpflichtversicherung und oftmals auch die steuerrechtliche und verfahrensrechtliche Expertise des heimischen Steuerberaters hört zumeist an der Grenze auf.

Eine Lösung, die nicht funktionierte

Nach einem Aufschrei in der Händler-Community versuchte Amazon, Abhilfe zu schaffen. Der Grund dafür liegt vermutlich auch darin, dass der Tech-Riese mittlerweile mehr an den Provisionen und Vermittlungsgebühren verdient, welche er den Händlern für seine Dienste in Rechnung stellt, als mit dem Verkauf von Waren auf eigene Rechnung.

Amazon vermittelte daher Beratungskontingente bei international tätigen Steuerkanzleien, (u.a. der KPMG) welche die Händler bei der Erfüllung der umsatzsteuerlichen Pflichten im EU-Ausland unterstützen sollten.

Die teilweise manuelle Abwicklung durch diese Dienstleister führte jedoch in vielen Fällen nicht zum gewünschten Erfolg.

Warum?

Manuelle Abwicklung ist zum Scheitern verurteilt

Das Umsatzsteuerrecht innerhalb der Europäischen Union gilt als harmonisiert. Hinter dieser Harmonisierung verbirgt sich allerdings lediglich eine Angleichung relevanter Grundregeln.

Unternehmen, welche in mehr als einem EU-Staat steuerpflichtig sind, stehen weiterhin vor großen Herausforderungen und damit einhergehenden finanziellen Risiken.

So kann die Ware eines Händlers in dem einen EU-Staat bspw. mit 22 Prozent versteuert werden, während das selbe Produkt in einem anderen Staat einem Steuersatz von 0 Prozent unterliegt.

Zusätzliche Komplexität entsteht durch die in keiner Weise harmonisierten Regelungen im Verfahrensrecht. Das Verfahrensrecht regelt z.B. Wie, bis Wann und in Welcher Form Steuererklärungen abgegeben werden müssen.

Hinzu kommt, dass die umsatzsteuerliche Datenaufbereitung oftmals durch den Onlinehändler selbst übernommen werden musste. Besonders für Händler mit zusätzlichen Vertriebskanälen (z.B. eBay oder eigener Webshop) stellt das ein großes Problem dar.

Insbesondere bei der Frage, welche Transaktion in welchem Staat mit welchem Steuersatz zu versteuern ist, erzeugt die manuelle Abwicklung im Onlinehandel ein kaum zu beherrschendes Risiko.

Keiner, auch nicht die Großen, mag Umsatzsteuer-Compliance*

Täglich müssen hunderte oder gar tausende Transaktionen bewertet werden. Das birgt für Steuerberater ein hohes Haftungsrisiko in Relation zu einem geringen Ertrag.

Aus diesem Grund ist Umsatzsteuer-Compliance, insbesondere wenn sie grenzüberschreitend erforderlich ist, ein Feld, das selbst große Beratungsgesellschaften ungerne bearbeiten.

Die großen Steuerberatungsgesellschaften nutzen dafür in der Regel ausgelagerte Service-Center in Osteuropa oder Indien, um für diese standardisierten und manuellen Arbeiten das Lohngefälle auszunutzen.

Für uns liegt die Lösung jedoch in der Automatisierung.

** Nur zur Sicherheit: Wir lieben große Datenmengen und Umsatzsteuer.*

Lösung: Automatisierung

Aufgrund der geschilderten Probleme startete Amazon eine entsprechende Ausschreibung, welche das US-amerikanische Unternehmen Avalara gewinnen konnte.

Bis vor Kurzem lief ein Pilotprojekt, in dessen Rahmen die Onlinehändler eine direkte Mandatsbeziehung mit Avalara eingehen konnten. Nach Ablauf dieser Testphase scheint Amazon diese Leistungen im eigenen Namen zu erbringen.

Ist jetzt wirklich alles automatisiert?

Die Antwort ist: NEIN.

Auch Avalara setzt, wie die KPMG vormals, u.a. auf große Callcenter. Kunden berichten uns über steuerliche Registrierungen, die sich bereits seit November 2016 hinziehen.

Das Kernproblem dieser wiederholten Versuche durch Amazon und seine Dienstleister ist weiterhin Folgendes:

  • ein großer Mandantenstamm innerhalb kurzer Zeit,
  • nicht vollständig automatisierte Prozesse und
  • die Tatsache, dass jeder Onlinehändler dann doch nicht in ein und dasselbe Schema passt.

Onlinehändler, die diesen Service nutzen, müssen zudem zahlreiche risikobehaftete Aspekte und Aufgaben weiterhin selbst überwachen und selbst (manuell) erbringen.

Wesentliche Elemente einer dringend erforderlichen Umsatzsteuer-Compliance fehlen.

Dazu zählen z.B. die Lieferschwellenüberwachung, die Dokumentation der innergemeinschaftlichen Verbringungen sowie der steuerfreien Ausfuhr- und grenzüberschreitenden B2B-Lieferungen.

Händler, die Produkte verkaufen, die im EU-Ausland einem der zahlreichen ermäßigten Steuersätze unterliegen, stehen vor einer kaum zu bewältigenden zusätzlichen Herausforderung.

Das sind für sich genommen nur die Probleme auf den B2C-geprägten Amazon-Marketplaces—zusätzliche Probleme kommen im B2B-Bereich hinzu.

Kunden berichten uns zudem, dass auch in diesem Fall noch vieles manuell abgewickelt wird – zum Großteil über ein Callcenter.

Amazon Business

Ein weiterer Grund, warum Amazon neben den genannten steuerlichen Dienstleistungen auch die Rechnungserstellung anbietet, ist die B2B-Plattform Amazon Business.

Das Kalkül von Amazon ist offensichtlich: In der deutschen Steuer-Literatur wurde bereits diskutiert, dass B2B-Einkäufe über den klassischen Amazon Marketplace nicht immer rechtssicher erfolgen (können).

Für den Käufer können sich im B2B-Bereich hohe finanzielle Risiken ergeben, wie z.B. die Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Verkäufer seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkommt.

Soll der neue Marktplatz, Amazon Business, daher ein Erfolg werden, muss sichergestellt sein, dass alle Verkäufer auf dieser Plattform einen gewissen einheitlichen Mindeststandard für ihre Umsatzsteuer-Compliance ansetzen (können).

Aus diesem Grund ist die Verwendung des Umsatzsteuer-Berechnungsservices (USt-Service), der u.a. die Rechnungserstellung übernimmt, für Verkäufer auf dieser Plattform verpflichtend.

Die Stärken und Schwächen des USt-Services haben wir bereits hier ausführlich diskutiert.

Umsatzsteuer ist ein Risiko

Die Umsatzsteuer stellt für grenzüberschreitend tätige Onlinehändler eines der größten finanziellen Risiken dar. Taxdoo versteht sich daher auch als digitaler Risiko-Controller. Unsere Software kann z.B. die folgenden Risiken automatisiert überwachen und kontrollieren.

  • Aggregation, umsatzsteuerliche Aufbereitung sowie Überwachung aller Online-Umsätze mittels Zugang zu Marktplätzen und ERP-Systemen
  • ==Über unsere neue Taxdoo-API, dem Umsatzsteuer-Standard im grenzüberschreitenden E-Commerce, können wir Daten aus jedem System beziehen, umsatzsteuerlich aufbereiten und in jedes Steuerregime der EU überführen – sei es z.B. die Umsatzsteuer-Voranmeldung in Frankreich oder das Standard Audit File Tax (SAF-T) in Polen. ==
  • Ermittlung von Steuersätzen für alle Produktarten und jeden EU-Staat
  • Laufende Überwachung der Lieferschwellen aller EU-Staaten, inkl. eines umfassenden Warnsystems
  • Dokumentation der innergemeinschaftlichen Verbringungen
  • Überführung der Transaktionen in die Buchhaltung

Fazit

Amazon hat vermutlich keinen Anreiz, in den sehr stark regulierten deutschen Steuerberatungsmarkt einzusteigen.

Vielmehr dürfte es darum gehen, Geschäftsfelder wie Amazon Marketplaces und Amazon Business rechtssicher und damit attraktiver zu machen.

Händler, die ihr Geschäft nachhaltig betreiben wollen, sind darauf angewiesen, dass sie sowohl ihre Verkäufe als auch ihre Einkäufe über Amazon rechtssicher abwickeln können.

Die Umsatzsteuer-Services von Amazon stellen für diese Anforderung jedoch nicht alle erforderlichen Leistungen bzw. Funktionen bereit.

Händler oder Steuerberater, welche ausschließlich mithilfe dieser Services ihre USt-Compliance abwickeln, gehen hohe finanzielle Risiken ein.

Mit Taxdoo könnt Ihr automatisiert die Amazon Umsatzsteuerpflichten erfüllen

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